Berichte & Studien

Individualisierte Prävention – Implikation allgemeingesundheitlicher Faktoren

Nach dem gleichnamigen Artikel von Gerhard Schmalz und Dirk Ziebolz, erschienen in ZWR 2019; 128(6): 295-304


Zahnärztliche Maßnahmen, präventiv oder kurativ, bedürfen einer individuellen Anpassung auf Basis der für jeden Patienten ermittelten Risikofaktoren. Die Allgemeingesundheit wird hierbei durch drei Risikofaktoren maßgeblich beeinflusst: Allgemeinerkrankungen nach ICD-10, Medikamenteneinnahme und Lebensstil. Diese Risikofaktoren lassen sich jeweils durch zwei Teilaspekte charakterisieren. Ein mögliches Komplikationsrisiko, welches die erhöhte Wahrscheinlichkeit zur Schädigung des Patienten während oder infolge einer zahnärztlichen Intervention beschreibt z.B. Infektionsrisiko: infektiöse Endokarditis bei Patienten mit Herzklappenersatz. Hiervon abzugrenzen bezeichnet das Erkrankungsrisiko, die erhöhte Wahrscheinlichkeit der Entstehung und/oder Progression einer oralen Erkrankung z.B. erhöhtes Parodontitisrisiko bei insuffizient eingestelltem Diabetes mellitus. Die Summe aus allen vorliegenden Risikofaktoren eines Patienten ergibt dessen individuelles Risikoprofil (Abb. 1). Auf Grundlage dieser bekannten multifaktoriellen Zusammenhänge und potenzieller Risiken, ist eine patientengerechte Anpassung des Inhalts der zahnärztlichen Behandlung bzw. der Vor- und Nachsorge betroffener Patienten erforderlich.
Im regulären Ablauf einer zahnärztlichen invasiven oder präventiven Maßnahme ist für die Sicherheit des Patienten sowie zur Sicherung des Outcomes stets eine Risikobeurteilung zu empfehlen. Das im Artikel vorgestellte Klassifikationssystem zeigt sowohl bezüglich des Komplikations- als auch des Erkrankungsrisikos eine Zuordnung in eine von drei Klassen (gering=grün, moderat=gelb, hoch=rot, Tabelle 1). Diese Klassifikation erfolgt entlang der definierten Risikofaktoren: Allgemeinerkrankungen (z.B. Diabetes mellitus, Herzklappenersatz), Medikation (z.B. Cyclosporin A mit einem Risiko für Gingivawucherungen) und Lebensstil (z.B. Rauchen). Analog sollte das infektiöse Komplikationsrisiko in die Klassifikation miteinbezogen werden, wobei hierfür das Ausmaß der Immunkompromittierung (abhängig von der Grunderkrankung und der Medikation) und der Grad der zu erwartenden Bakteriämie (abhängig von der Mundgesundheit und der Art der Intervention) zusammenspielen. Folglich lässt sich aus dem ermittelten Risikoprofil der Einfluss jedes Risikofaktors auf alle Abschnitte der Präventionssitzung ableiten.
Um Patienten sicher und erfolgreich präventiv betreuen zu können, ist eine suffiziente Risikoklassifikation und das Ableiten der entsprechenden klinischen Konsequenz in allen Phasen einer Präventionssitzung essenziell. Das vorgestellte Klassifikationssystem liefert eine Möglichkeit der systematischen Einbeziehung von Allgemeinerkrankungen, Medikamenten und Lebensgewohnheiten in die strukturierte zahnärztliche Prävention. Mit einer individuellen, risikoorientierten Prävention können Behandlungssicherheit gesteigert und der Therapieerfolg langfristig gesichert werden.


Tabelle 1: Abgrenzung der drei Klassen innerhalb des Komplikations- und Erkrankungsrisikos

Risikoprofil
Klasse Komplikationsrisiko Erkrankungsrisiko
gering Behandlung ohne besondere Maßnahmen möglich Kein Einfluss auf Behandlungserfolg
moderat Nichtberücksichtigung von Grunderkrankung und/oder Medikation können die Gesundheit des Patienten negativ beeinflussen. Entsprechende Gegenmaßnahmen sind wichtig für die Gesundheit des Patienten Nichtberücksichtigung des Risikofaktors hat einen moderaten Einfluss auf Behandlungserfolg bzw. Entstehung und/oder Progression oraler Erkrankungen
hoch Nichtberücksichtigung von Grunderkrankung und/oder Medikation bringen möglicherweise eine vitale Gefährdung des Patienten mit sich.
Entsprechende Gegenmaßnahmen sind zwingend erforderlich
Nichtberücksichtigung des Risikofaktors hat einen ausgeprägten Einfluss auf Behandlungserfolg bzw. Entstehung und/oder Progression oraler Erkrankungen


Abbildung 1: Aufschlüsselung von Risikofaktoren, welche in der Summe zu einem Risikoprofil führen. Dieses nimmt Einfluss auf den Aufbau und den Inhalt der Präventionssitzung. Hierbei beinhaltet jeder Risikofaktor sowohl ein potenzielles Komplikations- als auch Erkrankungsrisiko.

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